A. Jaeger

My Life - Mein Leben

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Key Events

Contents

  • Candói
  • Iscor Ltd. Pretoria, ZA (heute Mittal Steel South Africa)
    • Hier beginnt nun meine Geschichte.
  • Geschichten von Bahnen
    • Grüne gegen braune Lokomotiven Oder SBB vs BLS
  • National Railways of Zimbabwe (NRZ)
  • Der Eurotunnel (Tunnel sous la Manche, Channel Tunnel)
  • India
  • Swissair

Candói

Foz do Iguaçu
Foz do Iguaçu

Wo ist Candói? Im Urwald von Brasilien / Paraná, 580 km von São Paulo entfernt, im Gebiet der Flüsse Rio Iguaçu und Rio Jordão. [Die berühmten Wasserfälle Foz do Iguaçu sind weitere 262 km entfernt]. Die Wasserfälle Foz do Jordão sind vor 6000 Jahren entstanden. 1770 kamen erstmals Jesuiten in das von Indianern des Stammes Tupi Guarani besiedelte Gebiet. Ihr Interesse galt rasch den von den Indianern im Geheimen entdeckten Edelsteinen im Fluss Iguaçu. Das Geheimnis konnte nicht gewahrt bleiben. Eine Siedlung mit dem Namen Segredo dürfte Zeuge dieser Epoche sein. Im 20. Jahrhundert veränderte der gigantische Bau einer Papier- und Zellulosefabrik das Leben der Bewohner der sumpfigen Gegend. Erschreckend waren Krankheitsfälle, die nur in den Vereinigten Staaten behandelt werden konnten. Als Ursache vermuteten die Ärzte chemische Gifte oder Uran. In der Tat wurden von den Amerikanern dann Uranvorkommen entdeckt.

Von alledem wusste ich nichts, als ich 1962 vom Konzernleitungsmitglied Giuseppe Bertola Hals über Kopf nach Brasilien delegiert wurde, um den Sachverhalt eines erbosten Kunden zu klären. Da schrieb ein Fil. Brown mehrere ellenlange Telegramme an Chairman Dr. Walter Boveri, der gerade in Rom weilte und sein Buch „Ein Weg im Wandel der Zeit” verfasste. Vorwurfsvoll stellte Brown fest, dass Lieferungen der lokalen Indústria Eléctrica Brown Boveri (IEBB) in Verzug waren. Ob der Name Brown die BBC-Leitung verwirrte hat?

Bei der IEBB in Osasco erkundigte ich mich zuerst über das gigantisches Projekt der amerikanischen Firma Lutcher S/A, die in Begriff war, in Candói gebleichten Zellstoff (pasta de celulose; bleached pulp) herzustellen. Dazu war die Installation eines Wasserkraftwerkes, einer thermischen Zentrale (Dampfturbine zur Dampferzeugung und el. Energie), eines Holzhackers (woodchopper), einer Elektrolyse-Anlage zur Produktion von Chlor, usw. erforderlich. Ja selbst eine Landepiste für Flugzeuge (Business Jets) und Baracken für die Bauleute und späteren Mitarbeiter wurden gebaut. Die Zahl der Beschäftigten während der Bauzeit war enorm und nach Inbetriebnahme der Anlagen in der Grössenordnung von 1200; die Einwohnerzahl der benachbarten Ortschaft Segredo stieg auf 3500.

Aber noch war es ja nicht so weit. In Osasco erfuhr ich, dass IEBB die Gleichrichteranlage zur Speisung der Elektrolyse-Anlage zur Produktion von Chlor, welche von der deutschen Firma Uhde GmbH beigestellt wurde, nebst elektrischen Verteilanlagen liefern sollte.

Siemens lieferte eine Dampfturbinen-Anlage, Finnen den Holzhacker und amerikanische Firmen waren für die Wasserkraft und die Gesamtprojektleitung verantwortlich.

Ich stellte rasch fest, dass die Beanstandung von Fil. Brown berechtigt war. IEBB war im Verzug mit der Fertigung der Ausrüstungen und der Lieferung der Quecksilbergleichrichter aus der Schweiz. Es fehlten 16 Tonnen Kupferschienen und es fehlten mehrere Transformatoren mit je einem Gewicht von 12 Tonnen.

Paul Hubacher 86 (2002)
Paul Hubacher 86 (2002)

„Nein nein, sagte der Generaldirektor der IEBB, Dr. Paulo Hubacher, die Trafos sind in Fabrikation, das wurde mir eben bestätigt. Ich bat ihn, mich in die Fabrik zu begleiten und den vermeintlichen ersten Trafo anzusehen. Als Ingenieur mit Erfahrung in Gleichrichteranlagen war auch Dr. Paulo schnell klar, dass der kleine Verteiltrafo eine Fehlanzeige war, mehr noch, man hatte ihn wochenlang angeschwindelt.

Mit tatkräftiger Unterstützung des Leiters der Montageabteilung, dem Walliser Renaud Imhof (er brachte es bis zum Generaldirektors einer Tochterfirma der IEBB) erstellten wir einen verbindlichen Lieferplan. Gut vorbereitet flog ich mit einem Verkehrsflugzeug nach Curitiba und weiter mit einem Air Taxi nach Candói. Das heisst, so wollte ich reisen. In Curitiba war vom Lufttaxi keine Spur, ergo telefonierte ich dem Flugunternehmen „Boa Morte”, auf Deutsch „schöner Tod”! Der Pilot hatte sich nur verspätet. Er hat mich noch mehrmals nach Candói geflogen und heil auf den Boden zurückgebracht.

Ich meldete mich bei der Rezeption der Lutcher S/A, wurde ins Baracken-Hotel für Besucher begleitet und auf morgen vertröstet. 05:30 klopfte es an meine Tür. Das wird ja wohl ein Irrtum sein, ich arbeite ja nicht im Schichtbetrieb. Es klopfte wieder und man liess mir ausrichten, dass Herr Brown mich um 06:00 zur Besprechung mit Frühstück sehen möchte!

“Are you the man coming from Europe? You look very young!” Was für ein köstliches Frühstück, was für ein Meeting! Der relativ kleine Herr Brown konnte ziemlich resolut werden und hat seine unaufmerksamen Kader in harschem Ton zu Recht gewiesen: “Now you just listen the man because he costs me bloody hell money”.

Es würde zu weit führen, die ganze Geschichte „Lutcher S/A zu erzählen. Wir haben die Anlage mit Schweizermonteuren gebaut. Sie mussten durch die Hölle gehen, wurden von Dieben von Trafoöl mit Macheten bedroht, „erlebten” 16 Morde, mehrere Tote durch Feuer und durch Schlangenbisse. Ihr hohes Taschengeld wurde ihnen beinahe zum Verhängnis. Sukzessive haben sie sich dem Milieu der Baustelle anpassten: Was machen biedere Schweizer, wenn das Wohnzimmer unter Wasser steht? Abschöpfen? Weit gefehlt! Sie schossen kurzerhand durch den Holzboden. Wie die Amerikaner: Besoffen zerschossen sie Dutzende von Autopneus und waren für Fil. Brown ganz allgemein keine Unterstützung: Geldverdienen war ihre Devise. Erwähnenswert ist noch der Abgang unseres Chefmonteurs. Nach periodischen Weekends bei uns in São Paulo vermied er zusehends die Atmosphäre in einer Familie. Verständlich, musste er doch monatelang auf seine Frau und die Kinder verzichten. Umso mehr war ich überrascht, dass er nach Beendigung seine Aufgabe in Candói in São Paulo versumpfte und viel Geld verprasste. Als ich ihn endlich aufspürte, schickte ich ihn mit dem nächsten Flugzeug nach Hause.

Ende 1964 traf ich die Familie Fil. Brown (Frederic Lutcher Brown?) zufällig im Hotel Mesbla in Rio. Nach dem Mittagessen bat er Metka und mich an seinen Tisch. Die Frau erwartete ein weiteres Kind. Mit Tränen in den Augen sagte er, dass die BBC die einzige Firma war, die saubere Arbeit geleistet hätte und er vor allem von den Amerikanern mal für mal übers Ohr gehauen worden sei. Seine Firma ging schliesslich Pleite und BBC rannte den letzten Zahlungen hinten nach. Längst zurück in Baden  verschaffte mir das noch einmal die Möglichkeit, mit den Verantwortlichen der (argentinischen) Holding zu verhandeln. Bei dieser Gelegenheit lernte ich den Vater Brown kennen, der mir die Geschichte der Lutcher S/A Candói erzählte: Der Sohn wollte unbedingt im Urwald Zellstoff produzieren. „My son didn’t want to study, he is studying now but it costs me a hell of money”!

Eine Meldung hat mich viel später dann doch überrascht:

Em dezembro de 1965 a empresa faliu, causando um forte impacto na economia local. Muitas pessoas que viveram na época dizem que a falência ocorreu devido ao fato de que a Lutcher S/A vinha extraindo clandestinamente “água pesada” (urânio) de suas terras, sem a devida autorização do governo brasileiro. Quelle: Prefeitura Municipal de Foz do Jordào

Da soll die Lutcher S/A heimlich und ohne staatliche Bewilligung Schweres Wasser gewonnen haben!

Iscor Ltd. Pretoria, ZA (heute Mittal Steel South Africa)

South African Iron and Steel Industrial Corporation (Iscor): Africa’s largest producer of steel.

Für die Erweiterung der Walzwerksanlage lieferten Fa. Schloemann, Düsseldorf und BBC 1960 die Ausrüstungen. Zur Inbetriebsetzung der Hochspannungs- und Gleichrichteranlagen reiste ich nach Pretoria. Ich traf auf Kollegen, die ich schon in Völklingen/BRD kennen gelernt hatte.

Die Schwerindustriebranche hat ihre eigenen Charakteristiken, die Leute, die dort arbeiten, sind nicht minder engagiert und begeistert, wie in der Eisenbahnbranche.

Über die Zeit in Südafrika, wo noch die Trennung zwischen weisser und schwarzer Bevölkerung (Apartheid) praktiziert wurde, wäre ein Buch zu schreiben. Meine Ankunft war nur wenige Wochen nach dem Massaker von Sharpeville (21. März 1960), bei dem die Polizei 69 Schwarze erschoss und weitere 180 verletzte. Unsere Firmenvertreter, der Däne Tanning und der Bündner de Boor ermahnten uns eindringlich, keine Schwarze zu töten! Das war dann doch starker Tabak. Der Appell aber war begründet: Auf einer anderen BBC-Baustelle war ein Afrikaner durch Strom getötet wurden. Er hatte sich heimlich in einen Kabelkanal begeben, um ein Nickerchen zu machen, als das erste Mal die Spannung zugeschaltet wurde.

Hier beginnt nun meine Geschichte.

Ich verlangte von der Bauleitung eine klare Regelung der Befugnisse, Anlagenteile unter Strom zu setzen. Es wurde fortan Buch geführt und Erdseile verwendet. Jeder Raum und jeder Schacht wurde vor Inbetriebnahme kontrolliert. Meine schwarzen Hilfskräfte bekamen ausschliesslich Arbeiten zugewiesen, wo keine Gefahr einer Stromberührung bestand. Johannes war ein aufgeweckter junger Mann und sichtlich stolz, wenn er Instrumente ablesen durfte. „It’s alive; Baas”! Ein Voltmeter schlug doch tatsächlich aus, und prompt wurde ein Schaltungsfehler entdeckt. Kupferschienen der 8000 Volt Stromversorgung kreuzten einen Korridor, der ins Freie führte. Obschon knapp unter der Decke in gut drei Meter Höhe keine direkte Berührungsgefahr bestand, verlangte ich die Montage einer Abdeckung. Endlich war es soweit: Die Anlage konnte unter Spannung gesetzt werden. Alle Räume und Schaltzellen wurden peinlich inspiziert und in Ordnung befunden. Im selben Moment, als ich den Schalter drehte, betätigte auch Chefmonteur Keller einen Microswitch. Was folgte war ein Knall, wie ich ihn von den Haubitzen kannte. Aus einer Schaltzelle kam blauweisser Rauch. Es bestand kein Zweifel: Satter Kurzschluss! „Habe ich einen Schwarzen getötet” fragte ein verängstigter Chefmonteur. Nach kurzer Überprüfung gab es nur eine Hypothese: Der Kurzschluss kann nur unter der in letzter Minute angebrachten Abdeckung erfolgt sein. Was haben wir entdeckt? Zum eigenen vermeintlichen Schutz hatte der Monteur Kupferschienen quer über die drei Phasen der Stromschienen gelegt, sie vergessen und die Abdeckung montiert.

Inzwischen waren der Technische Direktor und weitere Kader der Werksleitung aufgekreuzt und verlangten Auskunft. Da der Fehler durch einen Monteur der Iscor verursacht worden war, kam keine Schelte über ihre Lippen. Sie verlangten lediglich den Zustand des Hauptschalters zu sehen. Die Schaltkontakte zeigten keine Brandspuren, was die Herren beeindruckte: „So einen Kurzschlussversuch hat man uns nicht einmal in Baden vorgeführt”!

Der Technische Direktor hat mich später in einer viel delikateren Angelegenheit zu sich zitiert. Es sei ihm zu Ohren gekommen, dass ich Schwarze verwöhne. Apartheid! Johannes’ Frau hatte ein Kind geboren und die Familie musste sparen. Ergo gab ich Johannes jeweils über die Hälfte meines üppigen Lunchpakets mit nach Hause. Da liess ich mir nun wirklich nicht drein reden, was der Bure auch verstand.

Geschichten von Bahnen

Grüne gegen braune Lokomotiven Oder SBB vs BLS

Bei meinem Eintritt in die Badener Bahnabteilung im Jahre 1965 bin ich in ein ungeahntes Spannungsfeld geraten. SBB zeigte für die Gleichrichterlokomotiven kein Interesse, BLS aber schon. Was da ablief, war mehr als unschön, es war skandalös!

BBC hatte Ende der 50-er Jahre für die französische Staatsbahn SNCF zwei Zweifrequenzlokomotiven gebaut, die sowohl in Frankreich unter 25 kV, 50 Hz als auch in der Schweiz unter 15 kV, 16 2/3 Hz fahren konnten. Statt dem „Einphasenwechselstrom-Reihenschlussmotor” kam der „Mischstrommotor” zu Anwendung. Noch verfügte die Lokomotive über den Stufenschalter. Neu war aber das Einfügen eines Gleichrichters (Damals noch Quecksilberdampfgleichrichter, später Diodengleichrichter)

BB 20100 bi-fréquence
BB 20100 bi-fréquence auf Testfahrt

Bei Versuchsfahrten auf steilen Streckenabschnitten in Lothringen wurde ein ausgezeichnetes Adhäsionsverhalten der Lokomotiven festgestellt. Mit anderen Worten: Die Lokomotive war im Stande, schwerere Züge zu ziehen, als es bis dato mit Lokomotiven mit Wechselstrommotoren üblich war. Es war klar, dass BBC die SBB und die BLS über diese Erkenntnisse orientierte. Gerade für die schweizerischen Alpentransversalen versprachen diese Fahrzeuge technische und wirtschaftliche Vorteile. SBB zeigte, wie schon erwähnt, kein Interesse. Der damalige Obermaschineningenieur, Dr. h.c. Franz Gerber, ging sogar so weit, dass er die Überführung einer Lokomotive von Basel nach Thun mit eigener Kraft verbot. Ab Thun, auf den Steilrampen des Lötschberg, hat die Lokomotive dann ihre überlegene Leistungsfähigkeit bewiesen. BLS bestellte in der Folge bei BBC eine Serie Lokomotiven mit Diodenstromrichter und Mischstrommotoren; für SBB wurden weitere Serien mit Einphasenwechselstrom-Reihenschlussmotoren nachgebaut.

Das Trauerspiel war aber noch nicht beendet: Es wurden Vergleichsfahrten im Emmental durchgeführt, SBB baute gar kurzfristig einen Diodenstromrichter in eine Wechselstromlokomotive ein, deren Abstufung natürlich nicht angepasst war. Das könnte man vergleichen, wie wenn man versucht, auf glitschiger Strasse mit dem PW im Dritten Gang anzufahren!

Um diese Intrigen abzuschliessen, -ein junger SBB-Kader und späterer Professor nannte es sogar eine Geschichtsfälschung-, sei der Hinweis erlaubt, dass die zulässige Anhängelast bei der (braunen) BLS-Lokomotive 610 Tonnen betrug und bei der (grünen) SBB-Lokomotive 480 Tonnen! Das ist auch einem Laien klar: Die Betriebskosten lagen bei der SBB über die Jahre gerechnet um Millionen höher.

Die Technik der Mischstrommotoren hat sich weltweit durchgesetzt und es sind Tausende von Triebfahrzeuge, insbesondere für 50 Hz-Netze, so gebaut worden. Die inzwischen entwickelten steuerbaren Halbleiter, die Thyristoren, machten dann die stufenlose Steuerung möglich. Seitens SBB wurde wiederum Widerstand an den Tag gelegt, nicht nur der ZFW sondern auch die Exponenten der Energieversorgung und des Sicherungswesens waren dagegen. Ein Kader der PTT hingegen hat entscheidende Unterstützung geleistet.

Inzwischen ist der Kollektormotor durch den Induktionsmotor (Asynchronmotor) abgelöst worden, wobei die eigentliche Entwicklung des spannungsgeführten Drehstrom-Umrichters mit Asynchronmotor wiederum im Hause BBC erfolgt ist. Hier haben die SBB Hand geboten und dürfen heute die Ernte einfahren: Ohne die (BBC-) Drehstromtechnik wäre Bahn 2000 undenkbar!

Ich lege grossen Wert darauf, die damaligen verantwortlichen der BLS namentlich zu erwähnen, nämlich Direktor Dr. Fritz Anliker und Walter Grossmann,  Chef Zugförderungs- und Werkstättendienst. Walter Grossmann zähle ich zu den Pionieren im Lokomotivbau, sowohl was die Mechanik als auch die Elektrik anbelangt. BLS ermöglichte der Industrie Entwicklungen auf den Bergstrecken zu erproben. Die Testergebnisse wurden offen gelegt und anderen Bahngesellschaften zur Verfügung gestellt. Die damals stärkste vierachsige Stromrichter-Lokomotive der Welt mit Anschnittsteuerung, die Re 4/4 161, war probehalber im regulären Einsatz bei der Deutschen Bundesbahn (DB) und den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und absolvierte Messfahren am Lötschberg für die Canadian Pacific Railway (CPR).

Testfahrten für CPR
Amandus Jaeger (BBC), Dr. H.H. Weber (SBB)
Walter Grossmann, Beat Steiner (BBC), Paul Winter (SBB)

Ich habe immer bedauert, dass Walter Grossman (16. Mai 1912-3. April 1996) die gebührende Anerkennung für seine hervorragenden Leistungen versagt geblieben ist. Wir von der Industrie hatten leider, -wohl mit Rücksicht auf die eifersüchtige SBB-, nicht den Mut, seinen Pioniergeist würdig zu ehren.

National Railways of Zimbabwe (NRZ)

Die Bahnabteilung der BBC Aktiengesellschaft Brown Boveri & Cie, Baden übernahm Ende der 70-er Jahre namens der 50-Hz-Arbeitsgemeinschaft die Federführung eines besonders anspruchsvollen Bahnprojektes in Rhodesien. Erfahrungen in Aktivitäten im benachbarten Südafrika, wo wegen des Apartheids-Regimes ebenfalls Boykotte beachtet werden mussten, gaben vermutlich den Ausschlag für die Zuteilung an ein Mitglied in der neutralen Schweiz. Bei der Konzernleitung in Baden herrschte für Aktivitäten im Südlichen Afrika hingegen keine grosse Begeisterung.

Es lohnt sich, sich über die politische Entwicklung einen Überblick zu verschaffen:

  • 1970 Rhodesien wird eine Republik (Kolonie von Grossbritannien)
  • Ab 1970 wird Rhodesien von vielen Staaten boykottiert.
  • 1972 begann der Bürgerkrieg
  • 1976 fand in Genf die Rhodesien-Konferenz statt mit dem Ziel, die kriegerischen Handlungen zu beenden. Teilnehmer: PM Ian Smith, ZANU-Partei Robert Mugabe, ZAPU-Partei Joshua Nkomo, UNAC-Partei Bischof Abel Muzorewa.
  • Ende 1979 Lancaster-House-Abkommen
  • März 1980 Wahlen. Die ZANU-Partei unter Robert Mugabe gewinnt.
  • Am 18. April 1980 wird das unabhängige Zimbabwe proklamiert.

Das damals noch ausnahmslos aus Weissen bestehende Management der Bahn hatte erkannt, dass die Elektrifizierung der Hauptstrecke zweckmässig war, um dem Verkehrsaufkommen zu genügen und sich vom risikobehafteten Erdölmarkt zu entfernen. Zudem sollten die in die Jahre gekommenen und die Umwelt belastenden Dampflokomotiven sukzessive ersetzt werden.

Das Projekt umfasste in der Phase 1 die Elektrifizierung der 355 km langen Strecke Dabuka (Gweru, bis 1982 Gwelo) – Salisbury, heute Harare. Zu den stationären Anlage gehörten die Unterwerke, Fahrleitungen, das Signalwesen, die Telekommunikationsanlagen und Fernsteuerung. Ebenfalls zur Phase 1 gehörte die Beschaffung von 30 elektrischen Co’Co’-Lokomotiven.

Die Ausarbeitung der Angebote sprengte für alle Beteiligten der Bahnabteilung, -Ingenieure, Kaufleute, Finanzspezialisten, Planer-, die bisherigen Erfahrungen. Zur Erinnerung: Die 50-Hz-ARGE bestand aus  sechs Firmen aus vier Ländern, welche teilweise neben der Elektrik auch mechanische Lokomotiv-Ausrüstungen herstellten.

Mit Unterstützung des BBC-Vertreters aus Südafrika wurden die ersten Kontakte zum Kunden hergestellt. Wir trafen auf hervorragende Eisenbahningenieure, welche über den technischen Stand in Europa und weltweit bestens orientiert waren. Vor allem aber waren sie “kriegserprobt”, hatten sie es doch fertig gebracht, den Betrieb der Bahn auf den Strecken des Inlandes und den internationalen Verbindungen trotz der widerlichen Bedingungen sicher zu stellen.

Es wurde rasch klar, dass wir namhafte Konkurrenten aus Schweden, UK, USA und Japan gegen uns hatten. Von entscheidender Bedeutung war nebst der Technik die Finanzierung und Anteil der lokalen Fertigung.

Die Spurweite von 1067 mm (Kapspur) war für uns keine besondere Erschwernis, liegt sie doch nahe am schweizerischen Schmalspurnetz mit 1000 mm. Es war daher naheliegend, die Rhätische Bahn (RhB) mit ihrem vergleichbaren Vollbahnbetrieb und den Erfahrungen mit Thyristorlokomotiven anzufragen, ob sie Unterstützung bieten würde. Die Besichtigungen der Anlagen und die Ausbildung von Lokomotivführer-Instruktoren erwiesen sich im Nachhinein als wertvolle Aufwertung des Angebotes.

Unsere Reisen nach Rhodesien waren nicht ungefährlich, Raketen flogen über das Hotel in Bulawayo, in unseren PWs waren Trinkwasservorräte, Benzinkanister und gar Kalaschnikovs gelagert!

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Management der Bahn war auf gutem Wege, als dieses feststellen musste, dass in den zuständigen Ministerien in Harare einheimisches Personal das Sagen hatte. Das Projekt bekam eine völlig neue, politische Note.

Fast hilflos fragten die weissen Manager, ob wir Zugang zur neuen Regierung hätten. Ja, in der Tat, diese Entwicklung war absehbar und wir hatten quasi parallel das Projekt bearbeitet. Es sah nicht gut aus: Kein Land unserer Mitglieder der ARGE hatte die Guerillakämpfer so tatkräftig unterstützt wie Schweden oder Grossbritannien. Die Botschafter dieser Länder erdreisten sich sogar uns Kund zu tun, wir könnten uns die Mühe ersparen, anzubieten. Erstaunlich auch, dass der Premier Mugabe bemerkte, die Rumänen könnten die Lokomotiven liefern.

Als Federführer waren wir in der Verantwortung, auf diese bedrohliche Situation die richtige Antwort zu finden. Wir holten einen Vermittler ins Boot, wir beschränkten uns auf die Lokomotiven, wir tauschten den französischen Mechaniker aus politischen Gründen gegen eine österreichische Firma aus, und natürlich gaben sich alle Partner bei der Preisbildung Mühe.

Die 50-Hz Arbeitsgemeinschaft war in der Lage, aus allen Partnerländern Mischkredite anzubieten und einen namhaften lokalen  Fertigungsanteil mitzufinanzieren. Dass es in der Schweiz besondere Anstrengungen bedurfte, sei nur am Rande erwähnt, für den Federführer aber enttäuschend.

Locomotive Contract Signing 1980 Bulawayo_Nigel Leaa-Cox
Contract Signing 1980 in Bulawayo General Manager Nigel Lea-Cox – Amandus J. Jaeger

Der Auftrag wurde ordnungsgemäss abgewickelt. Der mechanische Teil der Lokomotiven (Kasten und Drehgestelle) von der Firma Simmering-Graz-Pauker (SGP), Wien/Graz geliefert und teilweise durch die lokale Firma Resco in Bulawayo hergestellt. Die Montage der elektrischen Ausrüstungen und die Inbetriebsetzung erfolgte durch das bewährte Personal aus Oerlikon.

NRZ Electric locomotive EL1 class N° 4102 on test in Zimbabwe
Electric locomotive EL1 class on test

Am 22 Oktober 1983 fand die feierliche Eröffnung der elektrifizierte Strecke im Beisein von Premier Robert Mugabe, Joshua Nkomo, Ministern, den Botschaftern der Länder der Lieferanten und Vertretern der Firmen statt. Die Fahrt nach Harare wurde durch die Luftwaffe überwacht!

Die Bedeutung dieses Projektes für das Land, unsere Firmen, und die Sympathie für die neue Nation Zimbabwe haben alle Beteiligten besonders motiviert. Umso bedauerlicher ist es zu berichten, dass die Bahn (und das Land) in den Ruin gestürzt sind. 2010 wurde der elektrische Betrieb komplett eingestellt, nachdem nur noch vier Lokomotiven betriebsfähig waren und auf der gesamten Strecke Gweru – Harare die Fahrleitungen gestohlen wurden.

Der Eurotunnel (Tunnel sous la Manche, Channel Tunnel)

Wenn ich dem gigantischen Tunnelprojekt und der Beschaffung des Rollmaterials ein Kapitel widme, hat es besondere Gründe. Für unsere Firma war es wieder ein Prestigeprojekt, eine Herausforderung besonderer Art.

Über den Bau und den Betrieb gibt es umfassende Literatur, z.B.

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Eurotunnel   oder
  • https://en.wikipedia.org/wiki/Eurotunnel_Class_9

Ich werde einige interessante Begebenheiten erzählen:

Beginnen wir bei der Finanzierung des Projektes. Grossbritannien (PM Margaret Thatcher) verlangte, dass die Baukosten ohne Staatshilfe finanziert werden. Sowohl in Frankreich wie auch in Grossbritannien wurden Aktiengesellschaften gegründet. Eine Gruppe von rd. 200 Banken gewährte für den Bau Kredite. Als die NZZ berichtete, dass auch Schweizer Banken unter der Führung des damaligen Schweizerischen Bankvereins (SBV) beteiligt sind, stand für uns fest, dass die Beschaffung des Rollmaterials auch für uns im Binnenland Schweiz ein Thema war. Natürlich waren Firmen in den Anliegerländern oder aus Japan mit einem hohen Finanzierungsanteil besser positioniert. Wie konnten wir unser Handicap verbessern? SBV war bereit, uns über das Gesamtprojekt zu informieren, gehörte aber nicht zu den Entscheidungsträgern. In Frankreich und Grossbritannien hatten sich Konsortien gebildet, die sich 1985 zur TransManche Link (TML) zusammenschlossen. TML war in der Verantwortung den Tunnel zu bauen und schliesslich betriebsbereit dem Betreiber, der Eurotunnel Group zu übergeben. Unsere erste Kontaktaufnahme mit TML endete mit einer grossen Überraschung: Unter den Kadern befanden sich gute Bekannte aus Kanada und Australien! Ein weiterer Glücksfall war, dass ein befreundeter renommierter ehemaliger SNCF-Ingenieur als Berater von TML angeheuert worden war. Wir konnten so in gewohntem Rahmen Fachdiskussionen führen.

ScanWir Schweizer hatten noch weitere Trümpfe, nämlich die Jahrzehnte lange Erfahrung im Betrieb von Lokomotiven in Bahntunnels, insbesondere im Simplontunnel. Mit seiner Länge von knapp 20 km ist er im Vergleich zum Eurotunnel von 50 km wohl kurz, seine Bauart als Zwillingsbahntunnel, welcher im Abstand von 200 m durch Querstollen verbunden ist, hingegen für die Tunnelbauer hoch interessant. Im Inneren des Simplontunnels herrschen zudem über das ganze Jahr 30 Grad Celsius bei fast 100 % Luftfeuchtigkeit. Erschwerend für die elektrischen Ausrüstungen kommt hinzu, dass sich im Freien vor der Einfahrt in den Tunnel Temperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt auftreten können. Man schuf deshalb quasi als Norm die “Simplonfestigkeit” für die Traktionsausrüstungen. Da beim Kanaltunnel auch Aussentemperaturen von -10 Grad und nach jahrelangem Betrieb mit Innentemperaturen von 45 Grad gerechnet werden muss, war naheliegend, diesem Thema besondere Beachtung beizumessen.

Dank dem Entgegenkommen der SBB haben wir viele Fachleute von TML in den Simplontunnel geführt. Diese hatten jeweils nur einen Wunsch, den Tunnel rasch wieder zu verlassen und sie fragten verwundert: “Does it work?”. Unser Exportchef hatte den Slogan verfasst: “It’s tunnelproof!”. Simplonfest!

Im einspurigen Rickentunnel, der ein enges Profil aufweist, konnten wir mit fachlicher Unterstützung des BT-Direktors den Einfluss des Luftwiderstandes auf den Fahrwiderstand vorführen. Da muss man bei Talfahrt “Gas geben”.

Die Basis für eine technisch einwandfreie Zusammenarbeit mit dem Kunden war gelegt.

TML wiederum hatte klare Vorstellungen für die Triebfahrzeuge der Shuttle Trains, welche Personenwagen, Lastwagen und Busse zwischen Coquelles bei Calais und Folkestone transportieren. Die Züge müssen aus Sicherheitsgründen an beiden Enden Lokomotiven haben. Sie müssen in der Lage sein, in den 11 ‰ Steigungen auch mit halber Traktionsleistung noch anfahren, und im Falle eines Brandausbruches im Zug mindestens 30 Minuten weiterfahren können.

EurotunnelUnser Vorschlag, je eine sechsachsige Lokomotive der Achsfolge Bo’Bo’Bo’ vorzusehen, stiess anfänglich auf Verwunderung. Der französische Anbieter sah drei vierachsige Lokomotiven pro Zug vor. “Ihre deutsche Konkurrenz schlägt ein vierachsiges Fahrzeug vor.” Es handelte sich um unser eigenes Produkt, welches im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft vom Konkurrenten mit gefertigt worden war. Es war für uns ein Vorteil, die Eigenschaften beider Fahrzeugtypen bis ins letzte Detail zu kennen. Lokomotiven mit drei Drehgestellen à zwei Achsen stellen hohe Ansprüche an die Statik. Sowohl unser englische Partner (von welchem noch die Rede sein wird), als auch wir, verfügten über langjährige Erfahrung. Ein wesentlicher Grund für diese Achsfolge war auch der Umstand, dass diese Autozüge zwischen den Tunnelendbahnhöfen pendeln. Die engen Wendeschleifen werden zwar in umgekehrter Richtung durchfahren, um die Abnützung der Spurkränze auszugleichen. Zwölf Fahrmotoren pro Zug bieten natürlich die beste Gewähr, dass der Zug auch bei Ausfall einer Antriebseinheit die Tunneldurchfahrt unbeschadet abschliessen kann.

Mit der installierten Leistung von 5,6 MW am Rad, der max. Zugkraft von 400 kN und der betrieblichen Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h können die beiden Lokomotiven einen durchschnittlichen Autotransport-Pendelzug von 2100 t Masse und 800 m Länge in 33 Minuten über die 55 km lange Strecke befördern. Die elektrische Ausrüstung entspricht der von BBC/ABB entwickelten Drehstrom-Antriebstechnik mit statischen Umformern.

Angesichts der Konkurrenzsituation durch potente französische, deutsche, und vor allem japanische Firmen,  mussten wir auf der Kostenseite alles Erdenkliche unternehmen, um eine Chance zu haben. In der Firma Brush Traction Ltd, Loughborough fanden wir den geeigneten Partner für den mechanischen Teil der Lokomotiven und den Nachbau der Fahrmotoren und Antriebe weil die Herstellkosten im mittelenglischen Loughborough im Verhältnis zur Schweiz tiefer waren.

Contract Signing 14.12.1989 in Wimledon
Contract Signing 14.12.1989 in Wimbledon

Im Juli 1989 erteilte TML im Rahmen einer Zeremonie in Wimbledon die Bestellung von 40  Lokomotiven an das Konsortium ABB (Asea Brown Boveri) / Brush Traction Ltd und  an Bombardier /CAN und Breda/IT für die Shuttle Wagons im Gesamtwert von 600 Millionen Pfund (1,6 Mrd CHF). ABB übernahm auch die Systems Responsibiliy, d.h. die Überprüfung des Zusammenwirkens der Lokomotiven mit der Energieversorgung, den Signal- und Telekommunikations-Anlagen.

Erwähnenswert sind die umfassenden Typenprüfungen in den ABB-Hochleistungslabors und schliesslich die Typenprüfung von zwei kompletten Lokomotiven auf der Prüfstrecke bei Velim in Tschechien.

Unsere Inbetriebsetzungsingenieure waren auch für der Schulung der Lokomotivführer und des Unterhaltspersonals zuständig. Besonderer Wert wurde auf das Verhalten bei Pannen gelegt. Es sollte, wenn immer möglich, nicht im Tunnel angehalten werden. Am 18. November 1996 geriet ein Camion auf einem Shuttle in Brand und der Lokführer entschloss sich, Notfall mässig anzuhalten, mit katastrophalen Folgen. Der betroffene Tunnelabschnitt wurde schwer beschädigt und war in der Folge sieben Monate geschlossen. Der Sachschaden wurde mit 250 Millionen Euro beziffert.

ABB hat auch bei diesem Projekt hervorragend gearbeitet. Anerkennung gebührt allen beteiligten Fachkräften, insbesondere dem Projektmanagement.

Folgeaufträge für Eurotunnel, SNCF und British Rail sind die höchste Anerkennung!

India

Wenn ich über einen Verkaufserfolg im Jahre 1993 bei den Indian Railways berichte, muss ich weit ausholen. Die Vorgeschichte würde allerdings Bücher füllen.

Die Eisenbahn ist in Indien zweifelsohne das wichtigste Verkehrsmittel für Güter- und Personenverkehr. Das Streckennetz von 64’000 km ist das viert grösste der Welt (nach den USA, ehem. Russische Föderation und China). Die Geschichtsdaten gehen bis in Jahr 1843 zurück, es wurden Strecken mehrheitlich in Breitspur gebaut und die Züge mit Dampflokomotiven betrieben. In den 20er Jahren wurden Vorortsstrecken in Bombay (heute Mumbai) mit Gleichstrom elektrifiziert.

Fernand Nouvion
Fernand Nouvion

Der Elektrifizierung von Hauptstrecken  ging in Europa ein Glaubenskrieg über die Stromversorgung voraus. Fernand Nouvion von der Französischen Staatsbahn SNCF hatte nach dem Zweiten Weltkrieg angeregt, die Bahnen zukünftig mit der Industriefrequenz 50 Hz der Landesnetze zu versorgen. Die Deutsche Bundesbahn DB und die SBB, welche ihre Netze mit 16 2/3 Hz betrieben, lehnten dieses Ansinnen entschieden ab. Die Vorteile der 50 Hz Traktion in Verbindung mit Gleichrichtern (Ignitrons der Fa. Westinghouse/USA) zur Speisung der Gleichstrom-Fahrmotoren waren aber so offensichtlich, dass sich die SNCF nicht umstimmen liess.

Die SNCF ging noch weiter und institutionalisierte 1954 die Zusammenarbeit mit der europäischen Schienenfahrzeugindustrie mit dem Ziel, den Exportmarkt zu erschliessen. Das «Groupement  50 Hz», die “50 Hz-Arbeitsgemeinschaft” mit den Firmen AEG, Alsthom, Brown-Boveri, Jeumont, MFO, Schneider-Westinghouse, Siemens und Ateliers de constructions électriques de Charleroi (ACEC) wurde gegründet. Fernand Nouvion engagierte sich persönlich in der Vermarktung und Konzeption von Fahrzeugen und Elektrifizierungen des Vorortsverkehrs Istanbul, der Portugiesischen Eisenbahnen, in der UdSSR und China. Er ergriff die Initiative, die Indian Railways mit 25 kV/50 Hz zu elektrifizieren und war später deren langjähriger hoch geschätzter Berater. Ab den 60er Jahren war die 50 Hz-Arbeitsgemeinschaft der erfolgreichste Lieferant von über 1000 Lokomotiven in Zusammenarbeit mit den Chittaranjan Locomotive Works (CLW) in West Bengal. Eines der Fahrzeuge wurde auf den Namen “Fernand Nouvion” getauft! Der lokale Fertigungsanteil wurde sukzessive erhöht. BBC/ABB konnte über Jahrzehnte Apparate und Bauteile liefern und einen namhaften “courant normal” realisieren. Nach der Fusion Asea/BBC trat ABB aus der 50Hz-Arbeitsgemeinschaft aus und bearbeitete den indischen Markt selbstständig.

Zu Beginn der 90er Jahre beschlossen die Indian Railways, die Stufenschalter-Gleichrichter-Technik abzulösen und die Vorteile der Drehstromtechnik für Schnellzugs- und Güterzugslokomotiven zu nutzen. Sowohl die Weltbank (WB) als auch die Asian Development Bank (ADB) waren der Meinung, dieser Technologiewechsel sei für Indien zu früh. Unsere Aufgabe bestand folglich darin, nicht nur ein erfolgreiches Angebot einzureichen, sondern die Geldgeber von den technischen und ökonomischen Vorteilen zu überzeugen. Nachdem zu jener Zeit in Indien bei Waffengeschäften Bestechungsgelder geflossen waren, standen die Beschaffungen der Indien Railways unter kritischer Beobachtung der politischen Instanzen und Medien.

ABB Verkehrssysteme AG (Schweiz) hat wiederum gegen deutsche, französische und japanische Anbieter antreten müssen. Die vermeintliche Schlussverhandlung von 2-3 Tagen dauerte 11 Tage und Nächte, was alle Beteiligten psychisch und physisch herausforderte. Die Swiss Bank Corporation, heute UBS, hat die erforderlichen Bankgarantien geleistet und beispielhaft zusammengearbeitet.

WAG-9 Locomotive, India
WAG-9 Locomotive, India

Am 23. Juli 1993 wurden in New Delhi Verträge über die Lieferung von 22 Güterzugslokomotiven WAG-9 inklusive Technologietransfer an CLW zur Produktion von weiteren Loks. und 11 Schnellzugslokomotiven der Reihe WAP-5 unterzeichnet. Die ersten 6 Loks WAG-9 wurden 1996 in der Schweiz gebaut und fertig montiert nach Indien gesandt. Die restlichen Loks wurden als Bausatz zum Partner CLW geliefert, wo die Endmontage und die Inbetriebsetzung durchgeführt wurde. Erschwerend war, dass die Lokomotivkasten auf Grund Konzern interner Weisung im australischen ABB Werk hergestellt werden mussten! Danach begann CLW die WAG-9 Loks selbst zu bauen. Bis jetzt sind im Gesamten etwa 50 WAG-9 Loks gebaut worden. Zusätzlich werden die Schnellzugslokomotiven der Reihe WAP-5 gebaut.

Originaltext des Lieferumfangs als Beispiel der Komplexität eines Exportgeschäftes:

Contract for the Supply of 4500 kW/4000 kW, 1676 mm gauge, 25 kV a.c., 50 Hz Electric Locomotives with GTO thyristor based three-phase drive and microprocessor controls including special tools, jigs and fixtures, measuring wheels, motorette test, tool, testing instruments and other special jigs and fixtures and maintenance spares for 3 years maintenance requirements.

Es ist mir ein Anliegen, auf Fernand Nouvion, Ingénieur en Chef Direction Matériel et Traction SNCF oder  “génie de la traction électrique”, wie ihn die französische Presse würdigte, zu sprechen zu kommen. (Geboren am 2. November 1905, gestorben am 25. Januar 1999)

Nachdem die SNCF die Elektrifizierung in den 50er Jahren bis ins Elsass realisiert hatten, wünschten die SBB, dass keine Dampflokomotiven nach Basel eingesetzt werden und stellten die Finanzierung zur Beschaffung von Zweifrequenz-Lokomotiven in Aussicht. SNCF bestellte in der Folge bei der Schweizer Bahnindustrie 4 vierachsige Fahrzeuge unterschiedlicher Bauart (typisch Nouvion, könnte man sagen). Basierend auf französischer Technik  fertigte die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) die Kasten und Drehgestelle.

Die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) konzipierte die elektrische Antriebseinheit für ihre zwei Triebfahrzeuge mit dem sog. Direktmotor (Einphasenwechselstrom-Kommutatormotor) für 50 oder 16 2/3 Hz in Verbindung mit dem Einzelachsantrieb im Drehgestell der standardisierten SNCF Bauart “Jacquemin”. 50 Hz-Direktmotoren waren bisher nur für mittlere Leistungen bis ca. 500 kW gebaut worden. MFO machte ihrer Reputation als exzellenten Bahnmotorkonstrukteur also alle Ehre.

Brown Boveri (BBC) lieferte zwei Gleichrichterlokomotiven mit einmotorigen zweiachsigen Drehgestellen (bogie monomoteur). Diese Bauart erfordert Getriebe mit mehreren Zahnrädern. Dem Wellenstrommotor ist eine Drosselspule und ein Quecksilberdampfgleichrichter (Exitron) vorgeschaltet. Die Lokomotive war mit dem damals üblichen BBC-Stufenschalter ausgerüstet.

Im Rahmen der Inbetriebsetzung und Testfahrten auf steilen Streckenabschnitten im Raume Thionville machte ich die Bekanntschaft von Fernand Nouvion. Er benutzte die BBC Lokomotive zur Erprobung des “bogie monomoteur” in seiner Art und Weise, d.h. bis an die Grenzen der Belastbarkeit. Die aus Güterwagen bestehende 2500 t schwere Testkomposition wurde tausend mal angefahren und beschleunigt, “faule” Kupplungen zerrissen. Die Testresultate wurden umgehend ausgewertet, es bestand offenbar ein enormer Zeitdruck. Wir, die BBC-Ingenieure, arbeiteten oft rund um die Uhr, die SNCF-Fachleute übernachteten in einem Schlafwagen. Unter ihnen war auch André Cossié, ingénieur général honoraire de la SNCF, père des locomotives modernes et du TGV. Mit ihm verband mich eine tiefe Freundschaft bis zu seinem Tod am 11. Oktober 2011.

Nun schliesst sich der Kreis: Nouvion brauchte die Bestätigung der Lokomotivkonzeption für die Indian Railways!

Nouvion hat die Zusammenarbeit mit BBC und MFO stets geschätzt, insbesondere die Motoren-Konstrukteure Franz Prantel in Baden und Pierre Levrat in Oerlikon.

Der Entwicklung der Drehstromtechnik mit Zwangslöschung von Thyristoren durch BBC stand er jedoch skeptisch gegenüber. Ich höre ihn heute noch sagen: “une sottise qui oblige les thyristors à travailler contre-nature”. Da hat sich Fernand Nouvion geirrt. Die BBC Drehstromtechnik ist heute “state-of-the-art”. Interessanterweise war er es, der beim Mittagessen bei den Weingläsern die Steuerspannungen des Unterschwingungsverfahrens entdeckte.

Swissair

Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD) unterstützte Zimbabwe in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit auch im Energiesektor. Die Installation von 600 MW aus Kohlekraftwerken wurde als zweckmässig befunden. Die Erweiterung der Wankie I-Anlage um vorerst 400 MW wurde ins Auge gefasst, später aus Kostengründen vertagt und der Bezug der nötigen Energie aus Cahora Bassa in Mozambique bevorzugt. Auf Wunsch meines belgischen Beraters beim Eisenbahnprojekt vermittelte ich in der Folge die Zusammenarbeit der Kraftwerksabteilung von BBC Mannheim mit der SA Ateliers de Constructions Electriques de Charleroi (ACEC), unserem Partner der 50 Hz-Arbeitsgemeinschaft, deren Management ich kannte. Anlässlich eines Meetings in Brüssel war unter den Teilnehmern auch Dr. Bernard T.G. Chidzero (1927-2002), Minister of Finance, Economic Planning and Development von Zimbabwe. Ich kannte ihn bereits wegen seiner langjährigen Tätigkeit bei der UNCTAD in Genf.

Nun beginnt meine Geschichte Swissair. Dr. Chidzero vertraute mir an, dass die Verhandlungen über Landerechte in Zimbabwe wohl scheitern werden und riet mir, die Kanäle des Bahnerfolges einzuschalten.

Mit diesem vertraulichen Ratschlag wandte ich mich an unseren Chef der Konzerngruppe Schweiz, der im VR der Swissair war, mit der Frage, ob es sich vereinbaren liesse mit meiner Tätigkeit bei den Bahnen und in Zimbabwe, in der Swissair-Angelegenheit aktiv zu werden. H.P.S. forderte mich geradezu auf und organisierte ein erstes Treffen mit dem damaligen Direktionspräsidenten R.S.

Meeting mit H.G. (rechts) in Flims

H.G., Direktor der Swissair, verhandelte mit dem von uns in die Schweiz eingeladenen Transportminister Farai Masango, dem Chairman der Air Zimbabwe Ltd und weiteren Delegierten erfolgreich.  Leider akzeptierten die Zimbabwer auf Druck der Engländer das Angebot der SR nicht, DC10s mit 235 Sitzplätzen für Direktflüge Zürich-Harare und Harare-London (als Air Zimbabwe) einzusetzen. SR hätte auch die Wartung über Jahre übernommen. Ergo wurden Douglas DC-8-62, ausgelegt für 152 Passagiere, mit Zwischenlandung in Athen und Daressalam, Tanzania eingesetzt.

Screen Shot 2016-03-01 at 17.16.44Am 10. September 1982 fand der offizielle Eröffnungsflug Zürich-Genf-Athen-Harare statt. Die Schweizerdelegation, bestehend aus Vertretern des Bundes, der Kantone Basel-Stadt, Genf, Waadt, Zürich und Medien in Zimbabwe hatten bis am 18. September Gelegenheit, touristische Sehenswürdigkeiten zu besuchen.

Swissair stattete dem PM Robert Mugabe einen offiziellen Besuch ab und überreichte eine hochwertige Neuenburger Pendüle.

In Vertretung von Bundesrat  L.S., der krankheitshalber (Gallenblase) verhindert war, reiste sein persönlicher Mitarbeiter, S.F. mit. Delegationschef war jedoch Staatssekretär Dr. R.P. Auf Einladung von R.S. durfte auch ich mit von der Partie sein. Ich nahm allerdings nicht an allen Veranstaltungen teil und kümmerte mich um die Abwicklung des Lokomotivauftrages. Den mehrtägigen Ausflug zur Bumi Hills Safari Lodge am Lake Kariba machte ich hingegen mit.

Lake Kariba 1982S.F. war kein Vielflieger und deshalb überliessen wir ihm den Sitz neben dem Piloten auf dem Flug von Kariba nach Bumi Hills. Kaum gestartet bat uns der Pilot nach einem Flugzeug Ausschau zu halten, das in den Lake Kariba abgestürzt sei! In der Tat kamen lokale Politiker ums Leben. Bumi Hills ist sicher auch heute noch, nebst Victoria Falls, Wankie Park oder dem Rhodes Mapotos National Park, eine Reise wert.

Am Freitag, 17. September 1982, dem offiziellen Abschlusstag, hatte der Staatssekretär noch immer keinen Termin für den Besuch beim Premierminister Mugabe. Botschafter A.S. wurde sichtlich nervös und erkundigte sich bei mir, wo sich der PM aufhalte. Emmerson Munangawa, Minister of State in the Prime Minister’s Office, sagte mir trocken, der “Chief” fliege gerade nach Bulawayo. Man stelle sich das einmal vor, der offizielle Vertreter des Bundes wurde nicht empfangen. Dr. R.P. nahm es gelassen. Mein Sitznachbar auf dem Hin- und Rückflug, der Zürcher Regierungsrat A. S. wollte dann doch mehr über diesen Affront erfahren. Meines Wissens hat PM Mugabe Länder, die ihn im 7-jährigen “Struggle” nicht sonderlich unterstützt haben, abgestraft. Schweden, Österreich, Rumänien, China, Nord Korea und notgedrungen Grossbritannien, waren bei ihm hoch im Kurs.

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